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Ankommen im Dazwischen – Beifuß, Nervensystem und die Kunst, Übergänge zuzulassen
Die erste Rauhnacht fühlt sich oft an wie ein leiser Stolperer aus dem alten Jahr. Man ist noch nicht wirklich angekommen, aber schon deutlich weiter weg als gedacht. Der Körper hängt vielleicht noch im Trubel der Feiertage, der Kopf sortiert nach, das Nervensystem ist irgendwo zwischen „Endlich Ruhe“ und „Was war das alles eigentlich?“. Genau hier setzt diese Nacht an. Nicht mit großen Fragen, nicht mit Visionen, sondern mit einem einfachen, fast vergessenen Zustand: dem Übergang.
Die erste Rauhnacht ist keine Nacht der Entscheidungen. Sie ist eine Nacht des Dazwischen. Und genau deshalb ist sie physiologisch und psychologisch so sinnvoll.
Übergänge sind kein Luxus, sondern Biologie
Unser Organismus liebt klare Phasen. Aktivität und Ruhe, Hell und Dunkel, Essen und Fasten. Übergänge hingegen sind heikel. In der modernen Welt überspringen wir sie meist. Ein Termin endet, der nächste beginnt. Ein Jahr hört auf, das nächste startet, ohne dass der Körper wirklich mitkommt.
Neurobiologisch bedeutet ein Übergang immer Neujustierung. Das autonome Nervensystem, genauer gesagt das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus, braucht Zeit, um von Aktivierung auf Regeneration umzuschalten. Studien aus der Stressforschung zeigen, dass fehlende Übergänge die Grundanspannung erhöhen. Der Körper bleibt im Alarmmodus, obwohl objektiv keine Gefahr mehr besteht.
Die Rauhnächte, und besonders die erste, sind eine kulturelle Antwort auf genau dieses Problem. Sie schaffen einen Raum, der nicht produktiv sein muss. Einen Raum, in dem nichts abgeschlossen und nichts begonnen wird. Für das Nervensystem ist das kein Stillstand, sondern Reparaturarbeit.
Beifuß – das Kraut der Schwelle
Kaum eine Pflanze passt so gut zur ersten Rauhnacht wie der Beifuß, Artemisia vulgaris. In der europäischen Volkskunde gilt er als Schwellenkraut, als Begleiter von Übergängen. Frauen banden ihn sich früher auf Reisen um die Beine, nicht aus Romantik, sondern aus Erfahrung. Beifuß wärmt, stabilisiert und wirkt regulierend.
Pharmakologisch ist Beifuß spannend. Er enthält Bitterstoffe, ätherische Öle wie Thujon in sehr geringen Mengen und Flavonoide. Bitterstoffe wirken über spezielle Rezeptoren nicht nur im Mund, sondern auch im Magen-Darm-Trakt und indirekt auf das Nervensystem. Sie fördern die Verdauung, aber auch die sogenannte vagale Aktivität. Der Vagusnerv ist der Hauptnerv des Parasympathikus und damit zentral für Ruhe, Regeneration und emotionale Stabilität.
In der Schlafforschung taucht Beifuß immer wieder im Zusammenhang mit Traumerleben auf. Einige Studien zu Artemisia-Arten legen nahe, dass sie das REM-Schlafverhalten beeinflussen können. Nicht im Sinne von „magischen Träumen“, sondern durch eine veränderte Tiefenentspannung. Der Schlaf wird nicht zwingend länger, aber oft subjektiv intensiver.
Gegenanzeigen und ehrliche Hinweise
Beifuß gehört zu den Korbblütlern. Menschen mit entsprechenden Allergien sollten vorsichtig sein. Auch während der Schwangerschaft wird von intensiver Anwendung abgeraten. Wie bei allen stark wirksamen Pflanzen gilt: sparsam, bewusst und nicht dauerhaft.
Warum Beifuß gerade jetzt sinnvoll ist
Nach den Feiertagen ist das Nervensystem oft überreizt. Viel Essen, viele Menschen, viele Eindrücke. Beifuß wirkt nicht sedierend, sondern regulierend. Er zwingt den Körper nicht zur Ruhe, sondern lädt ihn ein. Das ist ein entscheidender Unterschied.
In der ersten Rauhnacht geht es nicht darum, etwas loszulassen. Dafür ist es oft noch zu früh. Es geht darum, anzukommen. Wahrzunehmen, wo wir stehen. Beifuß unterstützt genau diesen Zustand, indem er die Wahrnehmung nach innen lenkt, ohne zu überwältigen.
Anwendungsmöglichkeiten für die erste Rauhnacht
Räuchern ist die bekannteste Form, aber nicht die einzige. Gerade in dieser ersten Nacht ist Zurückhaltung sinnvoll.
Beim Räuchern reicht eine kleine Menge getrockneter Beifuß auf der Kohle oder im Stövchen. Der Duft ist herb, leicht bitter, für manche ungewohnt. Genau das ist Teil seiner Wirkung. Kurz räuchern, danach gut lüften. Rauch soll begleiten, nicht dominieren.
Für Menschen, die Rauch nicht gut vertragen, eignet sich ein warmes Beifuß-Fußbad. Die Füße sind reich an Nervenenden, die Verbindung zum vegetativen Nervensystem ist gut belegt. Ein Aufguss aus einem Teelöffel Beifußkraut auf heißem Wasser, zehn Minuten ziehen lassen, dann ins warme Fußbad geben. Wärme und Bitterstoffe wirken hier gemeinsam regulierend.
Auch ein Kräuterkissen mit Beifuß kann in dieser Nacht sinnvoll sein. Nicht direkt unter den Kopf, sondern in Bettnähe. Der Duft wirkt subtil, fast unterschwellig.
Die erste Rauhnacht und der Schlaf
Viele Menschen schlafen in dieser Nacht unruhig oder besonders intensiv. Beides ist normal. Der Körper beginnt umzuschalten. Wichtig ist, den Schlaf nicht kontrollieren zu wollen. Kein Tracking, kein Bewerten. Schlaf ist kein Leistungswert, sondern ein Prozess.
Wenn Du nachts wach wirst, nimm es als Teil des Übergangs. Der Körper sortiert. Das Gehirn räumt auf. Genau dafür ist diese Zeit gedacht.
Ein Beobachtungsimpuls, kein Auftrag
Vielleicht magst Du in dieser Nacht einfach wahrnehmen, wie sich Dein Körper anfühlt, wenn nichts von ihm erwartet wird. Keine Analyse, keine Erkenntnis. Nur ein kurzes Innehalten. Wie ist Dein Atem? Wo sitzt Spannung? Wo ist Wärme?
Manchmal ist das Ankommen selbst schon genug.
Übergänge brauchen Schutz, nicht Druck
In alten Überlieferungen galt die erste Rauhnacht als besonders empfindlich. Nicht gefährlich, sondern offen. Schutz bedeutete damals Räucherung, heute kann Schutz auch heißen, das Handy früher wegzulegen, Reize zu reduzieren, leiser zu sprechen.
Beifuß ist kein Kraut für große Visionen. Er ist ein Begleiter für den Moment dazwischen. Für den Schritt aus dem Alten, ohne sofort ins Neue zu müssen. Genau deshalb beginnt die Reise der Rauhnächte mit ihm.
Und vielleicht ist das die wichtigste Botschaft dieser ersten Nacht: Du musst noch nichts wissen. Du darfst einfach hier sein.

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